05.12.2023

„Die Stigmatisierung von Menschen mit Beeinträchtigung bleibt ein Problem“

Neue Studie „best3“ zum Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung; Expert*innen-Gespräch darüber im aktuellen DSW-Journal 4-2023 Beteiligte: Norbert Busch-Fahrinkrug, Landesregierung Sachsen; HRK- Generalsekretär Dr. Jens-Peter Gaul; Beraterin Katrin Lux, Universität Göttingen; Victoria Engels, Studentin der Universität Heidelberg; DSW-Präsidentin Prof. Dr. Beate A. Schücking

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Wie geht es Studierenden mit Beeinträchtigungen an unseren Hochschulen? Wie steht es um die Inklusion im deutschen Hochschulsystem? Warum hat sich der Anteil insbesondere von Studierenden mit psychischen Erkrankungen stark erhöht? Diese Fragen diskutieren in der neuen Ausgabe 4/2023 DSW-Journal des Deutschen Studierendenwerks (DSW) fünf Expert*innen aus Hochschulen, Politik, Betroffenen-Vertretung und Studierendenwerken.

Sie tun dies auf der Grundlage des neuen Berichts „„Die Studierendenbefragung in Deutschland: Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Deutschland (best3)“. Diese Studie wurde am Montag, 4. Dezember 2023, in Berlin gemeinsam vorgestellt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und vom Deutschen Studierendenwerk (DSW).

„Vier Pandemiesemester haben Spuren hinterlassen“, ist DSW-Präsidentin Prof. Dr. Beate A. Schücking überzeugt – für sie ein wesentlicher Grund für den Anstieg psychischer Erkrankungen. „Mein Eindruck: Die Welt im Allgemeinen und die Lebenslage vieler Studierender im Speziellen sind unsicherer geworden“, so Schücking.

Katrin Lux, Beauftragte für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen an der Universität Göttingen, teilt diesen Eindruck und sieht die Beratungsstellen von Hochschulen und Studierendenwerken am Limit: „Die meisten Beratungsstellen arbeiten mit so wenig Personal wie 2011, als es noch 8 Prozent beeinträchtigte Studierende gab. Wenn die Zahlen sich verdoppeln und die Kapazitäten gleichbleiben, kann es nicht funktionieren.“

Die Folgen dieser Unterversorgung beschreibt Victoria Engels, Referentin für Lehre und Lernen und studentische Behindertenbeauftragte der Verfassten Studierendenschaft an der Universität Heidelberg: „Zurzeit höre ich von Studierenden: Selbst wenn sie total kämpfen, womöglich suizidale Gedanken haben, müssen sie mehrere Wochen auf einen Termin warten. Manchmal bekommen sie gar keinen, weil sie niemanden erreichen, und auch keine automatische Antwort bekommen.“

Victoria Engels schildert aus Betroffenen-Sicht: „Um einen Antrag [auf Nachteilsausgleich] zu stellen, muss ich dem gesamten Prüfungsausschuss alle meine Defizite – also worin mein Nachteil besteht – vorlegen. Und damit lauter Personen, die keine Expertise für Inklusion, und schon gar nicht, wie in meinem Fall, für Hörbeeinträchtigungen mitbringen.“

Dr. Jens-Peter Gaul, Generalsekretär der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), hebt die Bedeutung von wissenschaftlichen Untersuchungen zur Lage von Studierenden mit Beeinträchtigungen an den Hochschulen hervor: „Ich bin sehr froh, dass es die best3-Zahlen gibt; nur wenn wir sie kennen, können wir etwas unternehmen. Die Stigmatisierung von Menschen mit Beeinträchtigung bleibt ein Problem.“

Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verweist Norbert Busch-Fahrinkrug, Referatsleiter Hochschulrecht/Grundsatzangelegenheiten im sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, darauf, dass etwa alle sächsischen Hochschulen einen Aktionsplan erarbeitet haben „Damit will ich nicht sagen, dass nichts zu tun bleibt. Doch vieles ist in Bewegung“, so Busch-Fahringkrug.

Das Expert*innengespräch zu „best3“ im DSW-Journal 4/2023:

https://www.studierendenwerke.de/beitrag/frau-praesidentin

Weitere Themen im DSW-Journal 4/2023:

  • „Die Stigmatisierung von Menschen mit Beeinträchtigung bleibt ein Problem“: Expert*innen-Gespräch über die neue Studie „best3“ zu Studierenden mit gesundheitlicher Beeinträchtigung
  • Die Jüngste und unkonventionellste: Porträt von Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin
  • „Scicomm-Support“ unterstützt Wissenschaftler*innen gegen Anfeindungen im Netz und in der analogen Welt: Gastbeitrag der Verantwortlichen
  • Klimaschutz trifft modernes Wohnen: Das Studierendenwohnheim Riedbergallee 4 des Studierendenwerks Frankfurt am Main ist eines der grünsten Wohnheime Deutschlands
  • Handwerker im Hintergrund: Das Team Technischer Service des Studierendenwerks Essen-Duisburg
  • Warum die Jugend sich mit der Studienwahl schwer tut – und mitunter AfD wählt: Interview mit dem Jugendforscher Klaus Hurrelmann
  • „Realllabore, Zwischenräume“: Die BMBF-Staatssekretärin und Philosophin Sabine Döring zum Campus der Zukunft
  • „Ich will keine Studierende sein, die sich beschwerte und nichts macht“: Johanna Eckes vom Studierendenwerk Freiburg im Gespräch mit DSW-Präsidentin Beate A.  Schücking