20.11.2023

Finanzielle Not unter Leipziger Studierenden weiterhin hoch - Studentenwerk stockt Härtefallzuschüsse erneut auf

Die finanzielle Lage vieler Studierender in Leipzig ist angespannt. Die Unterstützungsangebote des Studentenwerkes Leipzig finden regen Zuspruch. Nun wurden die Mittel für Härtefallzuschüsse an Studierender in Notlagen nochmals aufgestockt.

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Für Studierende, die unverschuldet in finanzielle Notlagen geraten, bietet das Studentenwerk Leipzig mit dem Härtefonds finanzielle Unterstützung an. Im März dieses Jahres waren die Mittel für Härtefallzuschüsse kurzfristig von 12.500 auf 80.000 Euro aufgestockt worden. Nun erhöhte das Studentenwerk den Fonds für das laufende Jahr nochmals um weitere 20.000 Euro für Zuschüsse auf insgesamt 100.000 Euro. Zudem wurde für 2024 eine Verlängerung der Aufstockung auf 80.000 Euro festgelegt. Entsprechende Beschlüsse wurden am Freitag, den 17. November auf einer Sitzung des Verwaltungsrates des Studentenwerkes Leipzig gefasst.

Sabine Giese, Studentin und Vorsitzende des Verwaltungsrates des Studentenwerkes Leipzig:

„Vielen Studierenden steht das Wasser bis zum Hals. Das Problem ist vor allem die Kombination der vielen Belastungen: Die anhaltende Inflation und die daraus folgenden Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln, aber auch die steigenden Mieten treffen uns stark. Während alles teurer wird, wird der sowieso schon kleine Geldbeutel von Studis nicht größer. Das BAföG ist viel zu wenig und auch mit Nebenjob reicht es oft nicht zur Studienfinanzierung. Immer mehr Studis kommen immer öfter in finanzielle Notlagen.“

Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind ca. ein Drittel der Studierenden in Deutschland armutsgefährdet - umgerechnet auf Leipzig sind dies über 13.000 Studierende. Dass sich die Lage immer weiter verschärft, zeigt sich in Leipzig unter anderem daran, dass sich die Beratungszahlen in der Sozialberatung des Studentenwerkes mehr als verdoppelt haben.

Julia Winkler, Abteilungsleiterin Soziale Dienste beim Studentenwerk Leipzig:

„In diesem Jahr hatten wir bis August bereits so viele Beratungsgespräche wie im gesamten Vorjahr – über 3.700. Sorgen der Studierenden drehen sich verstärkt um finanzielle Themen. Studienfinanzierung war immer eine Mischfinanzierung, aber in den letzten Monaten blieb das Budget unverändert, und die Ausgaben stiegen immer höher. Das ist tatsächlich neu. Das Studentenwerk versucht im Rahmen der Sozialberatung zu Studienfinanzierungsfragen zu helfen, aber auch mit kurzfristigen finanziellen Hilfen, wie den Freitischen für kostenloses Essen in der Mensa oder eben mit dem Härtefonds. Das nun eine weitere Aufstockung der Härtefondszuschüsse nötig war zeigt, wie ernst die Lage für viele Studierende ist, aber auch, dass unsere Maßnahmen tatsächlich zwingend notwendig sind.“

Dr. Andrea Diekhof, Geschäftsführerin des Studentenwerkes Leipzig:

Unsere Befürchtung ist, dass Studierende aufgrund finanzieller Probleme ihr Studium abbrechen müssen und dass sich künftig junge Menschen gegen ein Studium entscheiden müssen, weil sie es sich nicht leisten können. Dies würde aber nicht nur der Chancengleichheit schaden, sondern auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland, der qualifizierte Fachkräfte so dringend benötigt.

Studierende wurden von der Inflation hart getroffen, haben aber bisher wenig Ausgleichsmaßnahmen erhalten. Zwar wurden die Bafög-Bedarfssätze im letzten Jahr um 5,75 Prozent angehoben. Diese Erhöhung hat jedoch vor allem die Inflation der Vorjahre bis zu der Erhöhung nachgeholt, nicht aber die dann einsetzenden Inflationsentwicklungen vorhergesehen. Im BAföG ist die aktuelle Inflationsentwicklung nicht berücksichtigt. Aktuell liegt der Satz für den Grundbedarf beim BAföG mit 452 Euro sogar unterhalb des Existenzminimums – beim Bürgergeld gibt es künftig 563 Euro. Doch es gibt zumindest mittelfristig Hoffnung. Wir sind sehr froh, dass das Parlament die schwierige Lage der Studierenden wahrnimmt und im aktuellen Haushaltsbeschluss 150 Millionen Euro für eine BAföG-Erhöhung zum Wintersemester 2024/2025 bereitstellt. Eine BAföG-Nullrunde 2024 kann damit abgewendet werden. Jetzt liegt es an Frau Stark-Watzinger und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Reformen umzusetzen.

KFW Kredite bieten für Studierende auch keine Alternative zur Finanzierung eines Studiums mehr. Der Zinssatz für das Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau ist mittlerweile explodiert und liegt nun bei einem Rekordwert von mehr als neun Prozent.

Und auch eine Unterstützung von Studierenden durch die Eltern ist wegen deren eigener angespannter Finanzlage nicht mehr selbstverständlich. So bleibt oft nur die Möglichkeit zum Studijob. Doch mit einem Vollzeitstudium ist es nicht immer einfach, nebenbei zu arbeiten. Hier ist zu befürchten, dass Studierende ohne finanzkräftiges Elternhaus noch weniger Chancen haben als ohnehin schon.

Und schließlich: Auch bei der Mobilität stehen Studierende vor Mehrbelastungen. Das MDV-Semesterticket ist ein Solidarticket, dass die Solidargemeinschaft der Studierenden selbst finanzieren muss. Die Regelung zum Upgrade auf das Deutschlandticket vermeidet lediglich eine Doppelbelastung aus Zwangssolidarbeitrag und Kaufpreis für das Deutschlandticket – allerdings ohne Entlastung. Gerade für Studierende braucht es eine echte Vergünstigung des Deutschlandtickets, um bezahlbare Mobilität im Studium zu gewährleisten.“

Anträge für Mittel des Härtefonds können Studierende der sieben Hochschulen im Zuständigkeitsbereich des Studentenwerkes Leipzig bei der Sozialberatung des Studentenwerkes Leipzig stellen. Darin müssen sie nachweisen, dass sie sich in einer vorübergehenden, unverschuldeten Notsituation befinden. Durch die bisherige Aufstockung der Zuschussmittel im Härtefonds konnten zahlreiche finanzierungsbedingte Studienabbrüche verhindert werden. Zum Stand Oktober 2023 wurden 62 Zuschüsse mit durchschnittlich 930 Euro je Person ausgegeben, gesamt ca. 57.800 Euro. Hinzu kamen 21 Darlehen von durchschnittlich 1.085 Euro je Person (insgesamt 22.800 Euro). Fünf eingegangene Anträge wurden abgelehnt.

Die erneute Aufstockung der Zuschussmittel im Härtefonds um 20.000 Euro ist notwendig, um den aktuell erhöhten Unterstützungsbedarf von Leipziger Studierenden in vorübergehenden unverschuldeten finanziellen Notsituationen mit einem Härtefallzuschuss decken zu können.

Julia Winkler, Abteilungsleiterin Soziale Dienste beim Studentenwerk Leipzig:

„Es handelt sich dabei um eine vorsorgliche Aufstockung, damit eine Gleichbehandlung der antragstellenden Studierenden gewährleistet werden kann. Die Erfahrungen der Vorjahre haben gezeigt, dass es im November und Dezember regelmäßig zu einem Anstieg der Antragszahlen auf Härtefondsmittel kommt. Die Studierenden, die die Sozialberatung aufsuchen, benötigen in letzter Zeit vermehrt einen Zuschuss, um ihr Studium erfolgreich fortführen zu können. Eine Rückzahlung ist aufgrund der begrenzten zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel seltener möglich. Die von uns ausgegebenen Mittel sind absolut nachrangig und werden nur in absoluter Not ausgegeben. Die Anzahl der antragstellenden Studierenden ist besorgniserregend hoch.“  

Die Aufstockung erfolgt befristet bis 31.12.2023 und soll aus unterjährigen Einsparungen gedeckt werden. Zusätzliche Haushaltsmittel für die Unterstützung von Studierenden in finanzieller Not wurden vom Freistaat nicht zur Verfügung gestellt. Die Aufstockung der Härtefallmittel erfolgt daher unter Verwendung von Eigenmitteln des Studentenwerkes Leipzig. Für das kommende Jahr soll zudem eine weitere Aufstockung der Zuschussmittel im Härtefonds von regulär 12.500 Euro auf 80.000 Euro zunächst befristet bis 31.12.2024. beibehalten werden, weil wir zeitnah keine Besserung der Situation sehen.