Nachteilsausgleiche für Organisation und Durchführung des Studiums

Solange Studien- und Prüfungsordnungen keine größere Studienflexibilisierung zulassen, brauchen Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen Nachteilsausgleiche nicht nur in konkreten Prüfungssituationen, sondern ebenso bei der Organisation und Durchführung ihres Studiums.

Schwierigkeiten bei der Durchführung des Studiums ergeben sich häufig, weil Studi­en- und Prüfungsordnungen zu wenig Spielraum für eine individuelle Studiengestaltung lassen. Dabei sind Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten ge­rade darauf in besonderem Maße angewiesen, da sie ihre Arbeitskraft häufig nicht voll dem Studium widmen können, sondern zusätzliche Zeit und Energie für die Organisati­on des alltäglichen Lebens, für Therapie und Reha-Maßnahmen brauchen.

Einigen von ihnen fehlen notwendige Hilfsmittel oder persönliche Assistenzen im Studium, zum Beispiel weil die Kostenträger die Leistungen nicht fristgerecht oder nicht ausreichend bewilligen. Manche Studierende müssen krankheitsbedingt immer wieder für längere oder kürzere Zeiten, oft auch unvorhergesehen pausieren, wie beispielsweise Dialysepatienten, Menschen mit MS-Erkrankung oder Rheumaschüben. Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte unterbrechen den Studienrhythmus.

Daneben wirken sich vielfältige Barrieren – physi­scher, kommunikativer oder didaktischer Art –  benachteiligend und studienzeitverlängernd aus.

Demgegenüber ist es für Studierende schwierig,

  • Prüfungen zu verschieben oder Prüfungstermine zu entzerren, weil sie zum Teil nur einmal im Jahr angeboten werden und sich das Problem der hohen Prüfungs­dichte durch Verschieben auf den nächsten regulären Prüfungstermin eher noch verstärkt,
  • das Studiertempo individuell zu gestalten und den Studienverlauf zu ändern, weil Module aufeinander aufbauen und nicht in jedem Semester alle Lehrangebote zur Verfügung stehen, auch Plätze in Pflichtveranstaltungen begrenzt sind und Stu­dierende schnell ihre Bezugs- und Lerngruppe verlieren,
  • formale Vorgaben zu Anwesenheitspflichten, Modalitäten für Praktika, Labore oder Auslandsaufenthalte zu modifizieren, wenn diese zentral geregelt sind,
  • nach längeren Pausen wieder ins Studium einzusteigen, weil ein langsames Hin­eingleiten – wie im Berufsleben möglich – in der Regel nicht vorgesehen ist und außerdem die vertraute Lerngruppe nicht mehr zur Verfügung steht.

Maßnahmen zum Nachteilsausgleich

Die folgende Übersicht benennt wichtige Handlungsfelder mit möglichen und bewährten Maßnahmen zum Nachteilsausgleich. Sie gibt Orientierung, ist jedoch nicht abschließend.

Wichtig: Notwendigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Nachteilsausgleichen können bei gleicher Beeinträchtigung sehr unterschiedlich ausfallen. Die jeweiligen Bedingungen am Studienort und die jeweiligen Anforderungen des Studienfachs inklusive der Prüfungs­bedingungen spielen dabei eine große Rolle.

Daher ist es auch nicht möglich, verbindliche Vorgaben für Nachteilsausgleiche zu geben. Die Nachteilsausgleiche müssen immer individuell und situationsbezogen verabredet werden. Der Einzelfall ist entscheidend. Die kompensierenden Maßnahmen müssen erforderlich und geeignet sein, den Nachteil auszugleichen. Vielfach geht es um die Verabredung mehrerer ineinandergreifender Maßnahmen.

Individueller Studienplan und Verlängerung von Abschlussfristen

Studierende können das Studium beeinträchtigungsbedingt häufig nicht oder nicht in jeder Studienphase im vorgegebenen Tempo absolvieren. In vielen Fällen dauert es einige Zeit, bis sie sich das eingestehen und ihre Arbeitsfähigkeit realistisch einschät­zen können.

Ist das der Fall, sollten Studierende möglichst umgehend zusammen mit dem Studienkoordinator, der Fachstudienberatung oder Zentralen Studienberatung und unter Mitwirkung des oder der Behindertenbeauftragten im Rahmen des Vollzeitstudiums einen individuellen, auf die eigenen Belange abgestimmten Studienverlaufsplan erstellen („faktisches Teilzeitstudium“).

Dazu gehört, dass sich die Lehreinheiten sinnvoll ergänzen und in der verabredeten Reihenfolge auch tatsäch­lich belegt werden können. In den stark durchstrukturierten Studiengängen ist das oft nicht einfach zu bewerkstelligen.

Der auf diese Weise gestaltete Studienplan gibt neue Verbindlichkeit, nennt einen Termin für das voraussichtliche Studienende und kann auch gegenüber dem BAföG-Amt bei der Beantragung von Leistungen über die Förderungshöchstdauer hinaus Verwendung finden. Unvorhergesehene beeinträchtigungsbedingte Verzögerungen sollten unverzüglich besprochen und der Studienplan gegebenenfalls angepasst werden.

Die Verabredung eines individualisierten Studienplans kann dann schwierig werden, wenn Prüfungsordnungen verbindliche Fristen für die Ablegung der Abschlussprüfung vorschreiben, ohne dass Härtefallregelungen verankert wurden. Aber auch in diesen Fällen sind die besonderen Belange behinderter und chronisch kranker Studierender im Sinne „angemessener Vorkehrungen“ zu berücksichtigen und – wenn beeinträchti­gungsbedingt erforderlich – die Fristen zu verlängern.

Wichtig: Studierende sollten sich möglichst rechtzeitig darüber informieren, welche prüfungsrechtlichen Auswirkungen ein individualisierter Studienplan hat. Zusätzlich sollten sie sich von den Berater/innen der Sozialberatungsstellen des Studierendenwerks erklären lassen, welche finanziellen Auswirkungen ein verlän­gertes Studium gegebenenfalls hat.
Ansprüche auf Kindergeld, BAföG, Stipendien, Renten
Versicherungskonditionen der Krankenversicherung

Teilzeitstudium und Wechsel von Voll- und Teilzeitstudienphasen

In einer Reihe von Studiengängen können sich Studierende, die bestimmte Voraus­setzungen erfüllen, auch für ein „reguläres“ Teilzeitstudium mit einem entsprechend strukturierten Studienverlaufsplan immatrikulieren. Das kann gegenüber einem „indi­viduellen Studienplan“ im Vollzeitstudium vorteilhaft sein, weil die Organisation des Studiums einfacher ist.

Nachteilig ist, dass auf die individuelle Arbeitsfähigkeit weniger gut Rücksicht genommen werden kann. Wird ein Studienjahr in dieser Form studiert, werden die Semester als halbe Fachsemester und ganze Hochschulsemester gezählt.

Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Berufstätigkeit und Behinderung werden in der Regel als Begründung für die Belegung eines „regulären“ Teilzeitstudiums anerkannt. Zumeist können Studierende, die die Grundvoraussetzungen erfüllen, selber bestimmen, wie viele Studienjahre sie in dieser Form studieren wollen. Ein Wechsel vom Teilzeitstu­dium ins Vollzeitstudium oder umgekehrt ist dann möglich.

Besonders können davon Studierende profitieren, die nach einem längeren Klinikaufenthalt langsam ins Studium hineinfinden und später wieder in Vollzeit studieren wollen. Ein derartiges Vorgehen sollte mit der Studienberatung vorab diskutiert und die Beantragung mit dem Studierendense­kretariat oder ähnlichen abgesprochen werden. Es sollte alternativ überlegt werden, ob ein individu­eller Studienplan im Vollzeitstudium eventuell die bessere Alternative ist.

Wichtig: Vor einer Entscheidung für ein „reguläres Teilzeitstudium“ sollten Studie­rende die Auswirkungen auf die Krankenversicherung und auf finanzielle Ansprüche in Bezug auf BAföG, Kindergeld, Waisenrente, Stipendien prüfen. Teilzeitstudie­rende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf BAföG, aber eventuell auf ALG II.

Finanzierung des Lebensunterhalts

Zulassung zu Veranstaltungen unter Vorbehalt

Manchmal können Studierende aus Gründen, die mit ihrer Beeinträchtigung zusam­menhängen, nicht alle Voraussetzungen für die Belegung eines neuen Studienab­schnitts fristgerecht erfüllen. Sind die Leistungsnachweise weit überwiegend erbracht, sollte es im Einzelfall möglich sein, diese Studierenden unter Vorbehalt für weiter­führende Veranstaltungen zuzulassen, damit sich die Studiendauer nicht unverhält­nismäßig verlängert. Es sollten angemessene Fristen für das Nachreichen fehlender Leistungsnachweise vereinbart werden.

Bevorzugte Zulassung zu teilnahmebegrenzten Lehrveranstaltungen

Damit ein individueller Studienplan umgesetzt werden kann, muss sichergestellt wer­den, dass die betreffenden Studierenden teilnahmebeschränkte Pflichtveranstaltungen zum verabredeten Zeitpunkt auch tatsächlich belegen können. Gegebenfalls sind Anmeldefor­malitäten zu modifizieren.

Modifikationen von Anwesenheitspflichten

Studierende, die beeinträchtigungsbedingt häufiger als in der Studienordnung erlaubt nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen können, brauchen individuell gestaltete Ausnahmeregelungen. Gleichzeitig sind sie auf Skripte, Mitschriften oder Mitschnit­te zur Nacharbeit angewiesen. Es ist zu verabreden, wie Studierende gegebenenfalls fehlende Leistungsnachweise kompensieren können. Alternativ könnte gegebenenfalls geprüft werden, ob Studierende virtuell an Präsenzveranstaltungen (beispielsweise via Skype) teilnehmen können.

Modifikationen im Zusammenhang mit Praktika und Laboren

Je nach Beeinträchtigung können Modifikationen bei praktischen Studienabschnitten nötig werden. Dabei kann es sich zum Beispiel um Splitten, Verlegung oder den teilweisen Ersatz des Pflichtpraktikums durch andere Leistungen handeln. Für Laborarbeiten werden gegebenenfalls passende Hilfsmittel und Assistenzen sowie eine barrierefreie Ausstattung gebraucht. In besonderen Einzelfällen sollten angemessene Ersatzleistungen verein­bart werden können.

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Modifikationen im Zusammenhang mit Exkursionen und Auslandsaufenthalten

Je nach Beeinträchtigung können Modifikationen bei der Durchführung von ver­pflichtenden Exkursionen und Auslandsaufenthalten nötig werden. In begründeten Einzelfällen sollte der Verzicht auf einen Exkursionsnachweis möglich sein und eine kompensierende Leistung vereinbart werden.

Verlegungen von Lehrveranstaltungen und Anschaffung notwendiger Ausstattungen

Sofern vorgesehene Unterrichtsräume für einzelne Studierende mit Behinderungen nicht zugänglich oder nutzbar sind, ist es erforderlich, dass Lehrveranstaltungen in andere zugängliche Räume verlegt werden, die den Anforderungen entsprechen.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass Bibliotheken, studentische Arbeitsräume, Labo­re, die Büros des eigenen Fachbereichs und ähnliches für sie zu erreichen und zu nutzen sind. Ist das nicht der Fall, müssen Alternativen gefunden, unter Umständen kleine Umbauten oder die Anschaffungen von Spezialausrüstung (beispielsweise unterfahrbare Labortische) initiiert oder personelle Unterstützung organisiert werden.