Nachteilsausgleiche bei Prüfungen und Leistungsnachweisen

Viele Studierende können die Leistungsnachweise wegen ihrer Beeinträchtig nicht in der vorgegebenen Weise oder im vorgesehenen Zeitrahmen erbringen. Sie brauchen zeitlich und/oder formal modifizierte Bedingungen. Das gilt für alle Leistungsnachweise im Studiums: insbesondere für Klausuren, Referate, mündliche Prüfungen, Hausarbeiten, Berichte und Abschlussarbeiten.

In jedem Fall ist individuell zu prüfen, worin die beeinträchtigungsbedingte Benachteiligung konkret be­steht und wie diese im Einzelfall sinnvoll auszugleichen ist. Nicht immer ist die Schreibzeitverlängerung (allein) der sinnvolle Ausgleich.

Maßnahmen zum Nachteilsausgleich

Die folgende Übersicht benennt wichtige Handlungsfelder mit möglichen und bewährten Maßnahmen zum Nachteilsausgleich. Sie gibt Orientierung, ist jedoch nicht abschließend.:

Wichtig: Notwendigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Nachteilsausgleichen können bei gleicher Beeinträchtigung sehr unterschiedlich ausfallen. Die jeweiligen Bedingungen am Studienort und die jeweiligen Anforderungen des Studienfachs inklusive der Prüfungs­bedingungen spielen dabei eine große Rolle.

Daher ist es auch nicht möglich, verbindliche Vorgaben für Nachteilsausgleiche zu geben. Sie müssen immer individuell und situationsbezogen verabredet werden. Der Einzelfall ist entscheidend. Die kompensierenden Maßnahmen müssen erforderlich und geeignet sein, den Nachteil auszugleichen. Vielfach geht es um die Verabredung eines Maßnahmenpakets.

Schreibzeitverlängerung und Verlängerung von Vorbereitungszeiten

Schreibzeitverlängerungen bei Klausuren brauchen beispielsweise Studierende mit motorischen Beeinträchtigun­gen oder Lese-Rechtschreibstörung, aber auch stark sehbehinderte, blinde, stark hör­behinderte oder gehörlose Studierende.

Es sollte möglichst dafür gesorgt werden, dass die Studierenden ihre Prüfung in einem separaten Raum mit eigener Aufsicht ablegen können. Die Zeit, um die eine Prüfung verlängert wird, richtet sich nach dem Einzelfall. Ebenso im Einzelfall zu bewerten ist, mit welcher Zeitzugabe Vorbereitungszeiten bei mündlichen Prüfungen verlängert werden.

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Verlängerung der Prüfungszeit um tatsächlich anfallende Pausen

Auf individuelle Pausen sind beispielsweise Studierende angewiesen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung häufiger oder länger die Toilette aufsuchen oder zu bestimmten Zeiten Medikamente oder Nahrung zu sich nehmen müssen.

Manche sind auf Pausen zur Regeneration angewiesen. In diesem Fall sollte die Prüfungszeit um die tatsächlichen Pausenzeiten verlängert werden. Um für alle Studierenden eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre zu garantieren, sollte für einen separaten Raum mit eigener Aufsicht gesorgt werden.

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Prüfungen in separaten Räumen mit eigener Aufsicht

Viele Studierende mit Beeinträchtigungen profitieren von der Möglichkeit, eine Prüfung in einem separaten Raum mit eigener Aufsicht ablegen zu können. Dazu gehören beispielsweise Studierende mit diagnostizierten Konzentrationsstörungen (Zum Beispiel infolge der Nebenwir­kungen von Medikamenten), Angststörungen oder mit Legasthenie.

Die Verlegung wird zudem für Studierende erforderlich, die durch Vorlesekräfte unterstützt werden oder die auf einen besonders ausgestatteten Arbeitsplatz angewiesen sind (beispielsweise blinde Studie­rende). Ein separater Prüfungsraum ist grundsätzlich zu empfehlen, wenn Studieren­den mehr Zeit für ihre Prüfung eingeräumt wird.

In besonderen Einzelfällen sollte es möglich sein, dass Studierende wich­tige Prüfungen auch außerhalb der Hochschule – im Krankenhaus oder in häuslicher Umgebung – ablegen können, wenn sie beeinträchti­gungsbedingt die Hochschule nicht besuchen können.

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Verlängerung von Fristen für Haus- und Abschlussarbeiten

Verlängerung der Bearbeitungsfristen kommen zum Beispiel in Frage

  • für Studierende, deren Arbeitsfähigkeit behinderungsbedingt dauerhaft eingeschränkt ist (Zum Beispiel bei Nutzung von 24h-Assistenz oder nach einer Tumorerkrankung),
  • für Studierende, denen relevan­te Literatur nicht (ausreichend) in aufbereiteter Form zur Verfügung steht (Zum Beispiel blinde Studierende und Studierende mit Legasthenie),
  • für Studierende, die infolge chronischer Krankheiten regelmäßig ihre Arbeit für gewisse Zeiten unterbrechen müssen (beispielsweis Dialyse- oder Migränepatienten).

Chronisch kranke Studierende, die aufgrund von unplanmäßigen Krankheitsschüben vorübergehend nicht mehr arbeitsfähig sind und pausieren müssen, brauchen für diese Zeiten eine Krankschreibung, um entsprechende Zeitverlängerungen für die Haus- oder Abschlussarbeiten zu beantragen. Dasselbe gilt für akute Erkrankungen.

Studierende sollten sich im Vorfeld darüber informieren, ob ihre Hochschule Regelun­gen getroffen hat, die die Unterbrechungen von Haus- oder Abschlussarbeiten zeitlich begrenzen (beispielsweise keine Unterbrechung länger als vier Wochen, sonst Neustart der Bachelorarbeit).

In diesem Fall sollten unbedingt vorsorglich Regelungen zum Nach­teilsausgleich besprochen und schriftlich festgelegt werden, die eine Abgabe der Arbeit auch nach einer längeren Unterbrechung möglich machen, zumindest dann, wenn die Arbeit schon wesentlich fortgeschritten ist.

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Änderung der Prüfungsform

Im Rahmen von Nachteilsausgleichen ist es bei entsprechender Begründung möglich,  mündliche in schriftliche Prüfungen (oder umgekehrt), Hausarbeiten in Referate (oder umgekehrt) und Gruppen- in Einzelprüfungen umzuwandeln.

Die Änderung der Prüfungsform kann aus unterschiedlichen beeinträchtigungsbeding­ten Gründen erforderlich werden. So könnte eine schriftliche statt mündliche Prüfung beispielsweise für sprechbeeinträchtigte Studierende in Frage kommen, die Umwandlung eines Referats in eine Hausarbeit, beispielsweise für Studierende mit diagnostizierter Angststörung oder Autismus.

Dagegen können Klausuren nur ausnahmsweise durch Hausarbeiten oder umge­kehrt ersetzt werden, da beide Prüfungsformen in der Regel unterschiedliche Kompetenzen prüfen. Im Einzelfall kann aber verabredet werden, dass schriftliche Arbeiten durch ein Abgabegespräch oder mündliche Prüfungen durch schriftliche Prüfungsteile ergänzt werden.

Manchmal kann es für Studierende hilfreich sein, wenn eine Vertrauensperson bei einer mündlichen Prüfung anwesend ist. In besonderen Ausnahmefällen sollte es möglich sein, einzelne Teilleistungen, die aufgrund der Beeinträchtigung nicht erbracht werden können (Zum Beispiel grafische Darstellungen bei blinden Studierenden), durch andere gleichwertige Leistungen zu ersetzen.

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Modifikation praktischer Prüfungen

Manche Studierende sind aufgrund ihrer Behinderungen und chronischen Krankheiten darauf angewiesen, dass sie praktische Teilleistungen verändern, kürzen oder durch gleichwertige andere Leistungen ersetzen dürfen. Das gilt beispielsweise für Studierende mit Be­wegungs- oder Sinnesbeeinträchtigungen im Sport-, Geografie- und Geologie-Studium.

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Aufteilen von Studienleistungen in Einzelabschnitte

Mehrmonatige Pflichtpraktika sollten zum Beispiel für Studierende, die nur eingeschränkt erwerbsfähig sind, teilbar sein; gegebenenfalls könnten Ersatzleistungen vereinbart oder andere berufliche Erfahrungen angerechnet werden oder der Rest der praktischen Prüfungs­leistung am Ende des Studiums abgeleistet werden, damit Studienunterbrechungen weitgehend vermieden werden können.

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Erlaubnis zur Nutzung von Hilfsmitteln und Assistenzen

Für blinde oder sehr stark sehbeeinträchtigte Studierende ist es hilfreich, wenn sie in Klausuren ein mit notwendiger Spezialsoftware ausgestattetes Notebook verwenden können. Gehörlose und hörbeeinträchtigte Studierende brauchen gegebenenfalls Kommunika­tionsassistenz für ihre mündlichen Prüfungen, blinde Studierende und Studierende mit Legasthenie stattdessen Vorlesekräfte. Studierende mit Legasthenie können ihre Nachteile in Klausuren unter Umständen durch den Einsatz von Diktiergeräten oder Spezialsoftware zur Spracherkennung und Schreibassistenz oder von Notebook und Rechtschreib­programm ausgleichen. Studierende mit motorischer Beeinträchtigung sind eventuell auf Arbeits-Assistenz bei Laboren angewiesen.

Wenn irgend möglich, sollte den Studierenden erlaubt werden, vertraute technische Hilfsmittel und personelle Assistenzen zu nutzen. Stellen Hochschulen die Hilfsmittel selbst zur Verfügung, sollte den Studierenden vorab Gelegenheit gegeben werden, die Handhabung zu trainieren. Dürfen Studierende ihre eigenen Notebooks oder ähnliches nutzen, müssen diese vorab „prü­fungstauglich“ gemacht werden. Die Hochschulen müssen in diesem Fall durch Prüfung der Geräte sicherstellen, dass keine unerlaubten Hilfsmittel für den Nutzer oder die Nut­zerin zugänglich sind. In beiden Fällen muss ausreichend Vorlaufzeit eingeplant werden.

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Bereitstellung von adaptierten Prüfungsunterlagen

Insbesondere blinde Studierende und Studierende mit Legasthenie brauchen barriere­freie digitale Dokumente und/oder Audiodateien, Studierende mit starker Sehbeeinträchti­gung Unterlagen in Großdruck.

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Nichtberücksichtigung von Rechtschreibfehlern in Klausuren

Die Nichtberücksichtigung von Rechtschreib- und Interpunktionsfehlern in Klausuren ist wichtig für gehörlose Studierende, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, für Stu­dierende mit Legasthenie oder für Studierende mit sehr starker Sehbeeinträchtigung. Bei Haus- und Abschlussarbeiten müssen Studierende in der Regel selbst für eine fehlerfreie Darstellung sorgen.

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Einfluss der Studierenden auf Termin, Ort, Sitzplatz oder Aufsicht

Es sollten Terminwünsche von Studierenden respektiert werden, die zu bestimmten Tageszeiten oder an bestimmten Wochentagen nicht oder nur sehr eingeschränkt Prüfungsleistungen erbringen können, wie zum Beispiel bei Studierenden, die starke Medika­mente mit Nebenwirkungen einnehmen müssen, oder Dialysepatienten. Bei der Wahl des Sitzplatzes sollte auf beeinträchtigungsbedingte Bedarfe Rücksicht genommen werden. Im Einzelfall ist es wichtig, dass Studierende Einfluss auf das Geschlecht von Aufsichtspersonen haben können.

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Verschieben von Prüfungsterminen

Für viele Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten ist es mit be­sonderen Belastungen verbunden, wenn viele Prüfungen in einem kurzen Zeitraum ab­solviert werden müssen. So sollte es im Rahmen von Nachteilsausgleichsregelungen beispielsweise möglich sein, die obligatorischen Nachschreibtermine für Prüfungen als reguläre Erstprüfungstermine nutzen zu dürfen.

Unter Umständen kann es Sinn machen, Prüfungen vorzu­ziehen und studienbegleitend abzulegen oder zu splitten. Auch das Verschieben auf einen regulären späteren Prüfungstermin sollte grundsätzlich erlaubt werden. Dabei sollte vorher geklärt werden, dass die Belegung weiterführender Lehrveranstaltungen unter Vorbehalt auch ohne den Nachweis der bestandenen Prüfung möglich ist.

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Nichtberücksichtigung von behinderungsbedingten Prüfungsrücktritten

Wenn die Prüfungsordnung die Anzahl möglicher Prüfungsrücktritte begrenzt, müssen im Rahmen des Nachteilsausgleichs Ausnahmeregelungen für Studierende mit Behin­derungen und chronischen Krankheiten möglich sein. Bei der Zahl möglicher Prüfungswiederholungen sollten behinderungsbedingte Prüfungsrücktritte unberücksichtigt bleiben.

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Fristverlängerungen bei Prüfungsanmeldungen und Modulfristverlängerung

Wenn die Prüfungsordnung Fristen für die Anmeldung zu Prüfungen oder die Durch­führung von Modulen zwingend vorschreibt, müssen im Rahmen des Nachteils­ausgleichs Ausnahmeregelungen für Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten möglich sein, zum Beispiel in Form eines individuellen Studienplans.

Je nach Einzelfall besteht der Nachteilsausgleich aus einer oder mehreren Maßnah­men. So macht es zumeist Sinn, dass Studierende mit Schreibzeitverlängerung ihre Prüfung in einem separaten Raum ablegen, damit Störungen der Konzentration so gut wie möglich vermieden werden können.

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