Eingliederungshilfe: Mehrbedarf Wohnen

In Einzelfällen kann über die Eingliederungshilfe die Kostenübernahme für behinderungsbedingt erhöhte Wohnkosten beantragt werden.

Wer aufgrund einer Beeinträchtigung besondere Anforderungen an die eigene Wohnung hat - z.B. in Bezug auf barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit, Assistenzbedarf oder Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln - hat nicht selten Schwierigkeiten, eine bedarfsgerechte, den eigenen Wünschen entsprechende und - im Rahmen des BAföGs - bezahlbare Wohnmöglichkeit zu finden. Organisationsaufwand  und Finanzierungsbelastung sind i.d.R. deutlich höher als bei nicht-beeinträchtigten Kommiliton*innen. Über Maßnahmen der Eingliederungshilfe sollen Nachteile ausgeglichen werden.

Leistungen zur Deckung laufender Unterkunftsmehrbedarfe

Im BAföG gibt es für Studierende zwar eine Wohnpauschale, behinderungsbedingte Wohnmehrbedarfe können im BAföG aber nicht geltend gemacht werden. Stattdessen können seit 2019 Studierende mit "wesentlichen" Behinderungen gemäß § 99 SGB IX dafür Eingliederungshilfe nach SGB IX zur Sicherung der "Sozialen Teilhabe" beantragen.

Denn erst 2019 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass "Bedarfe für Kosten der Unterkunft für behinderte Menschen auch zuschussweise durch Leistungen der Eingliederungshilfe (soziale Teilhabe) zu decken sein (können), soweit Kosten betroffen sind, die behinderungsbedingt über den abstrakt angemessenen Wohnkosten liegen." Bis dahin mussten Studierende ohne die notwenigen Eigenmittel ggf. Darlehen zur Deckung erhöhter behinderungsbedingter Wohnkosten aufnehmen. Ungedeckte Kosten führten in Einzelfällen auch dazu, dass sich Studieninteressierte gegen eine Studienaufnahme entschieden haben.

Mit dem Urteil wurde anerkannt, dass die klagende Studentin "unabweisbare" behinderungsbedingte Mehrkosten hat, die sie weder durch das BAföG decken kann, weil dieses keine Mehrbedarfe vorsieht, noch durch Zuwendungen anderer Sozialleistungsträger (z.B. die Jobcenter), weil Studierende i.d.R. davon ausgeschlossen sind. Das Gericht stellte klar, dass eine Wohnung nicht nur dem Schutz vor Witterungseinflüssen und der Sicherung des "Grundbedürfnisses des Wohnens" diene, sondern grundsätzlich auch der sozialen Teilhabe, weil so eine gesellschaftliche Ausgrenzung vermieden werde. Damit wurde gleichzeitig deutlich gemacht, dass die Übernahme von Wohnkosten der Eingliederungshilfe durchaus nicht "wesensfremd" ist.

In § 113 Abs. 2 SGB IX werden Beispiele für Leistungen zur Sozialen Teilhabe aufgezählt. Wichtig: Diese Liste ist nicht abschließend, was durch den Zusatz "Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind insbesondere (...)" deutlich wird.

In § 77 Abs. 2 SGB IX wird ein erhöhter Wohnbedarf für den Fall anerkannt, dass ein Assistenzbedarf dafür ursächlich ist. Andere mögliche Konstellationen "unabweisbarer" Wohnmehrbedarfe sind dadurch aber nicht ausgeschlossen.

Ambulant betreutes Wohnen

In Einzelfällen brauchen Studierende mit Behinderungen, z.B. jene mit psychischen Erkrankungen oder mit Autismus-Spektum-Störungen, zusätzliche Unterstützung bei der Bewältigung der Organisation von Alltag und Studium. Im Rahmen der Eingliederungshilfe (SGB IX) oder der Jugendhilfe (SGB VIII) wird deshalb individuell abgestimmt "Ambulant betreutes Wohnen" unterstützt.

Leistungen zur Beschaffung und Erhalt von Wohnraum

Es gibt auch Unterstützung bei der Beschaffung und dem Erhalt einer den behinderungsbedingten Anforderungen entsprechenden Wohnung. Dadurch soll die Führung eines möglichst selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Lebens ermöglicht werden. Die Leistungen umfassen Leistungen für die Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung von Wohnraum, der den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen entspricht. Geregelt in § 77 Abs. 1 SGB IX (in Verb. mit § 113 SGB IX).