Eingliederungshilfe - Mehrbedarf Mobilität

Wer Beförderungsdienste oder alternativ ein eigenes Auto für das Studium braucht, weil der öffentliche Nahverkehr beeinträchtigungsbedingt nicht oder nur eingeschränkt nutzbar ist, kann dafür Eingliederungshilfe beim zuständigen Eingliederungshilfeträger beantragen.

Von Studierenden wird ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität erwartet. Nicht immer ist Studierenden mit Behinderungen aber die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs möglich oder zuzumuten. Alternative Möglichkeiten sind Beförderungsdienste oder ein an die Belange des/der Studierenden angepasstes Kraftfahrzeug. Die Leistungen richten sich nach § 113 Abs. 2 Nr. 7 in Verb. mit § 83 und § 114 SGB IX.

Leistungen zur Beförderung: Fahrdienste, Taxis, Fahrgemeinschaften

Es werden behinderungsbedingt erhöhte Fahrtkosten für Fahrten zur Hochschule und für andere studienrelevante Fahrten, z.B. zu Arbeitsgruppen und Besprechungsterminen, übernommen, wenn der öffentliche Nahverkehr behinderungsbedingt nicht zu nutzen ist. Behinderten-Fahrdienste, Mietwagen oder Taxis werden dann in vielen Fällen als angemessene Alternativen angesehen. Werden die notwendigen Fahrten durch Dritte (z. B. Eltern, Geschwister, Freunde) mit deren Privat-Pkw durchgeführt, so werden die Fahrtkosten gemäß den Regelungen des Bundesreisekostengesetzes erstattet. Bestehen keine anderen Möglichkeiten, kommt für eine begrenzte Zeit als Ersatz für den Fahrdienst eine Beförderung durch Taxen in Betracht. Der Umfang muss nachgewiesen werden. Als Alternative kann die Beschaffung und Unterhaltung eines eigenen Kfz in Betracht kommen.

Leistungen für ein Kraftfahrzeug

Für Studierende, die keine einheitlich strukturierte Arbeitswoche haben und i.d.R. kurzfristig - auch abends - mobil sein müssen, um an Arbeitsgruppen, Sprechstunden oder Vorträgen teilnehmen zu können, sind die Behinderten-Fahrdienste oft zu wenig auf die individuellen Anforderungen zugeschnitten. Gerade in dieser Lebenssituation ist das eigene angepasste Auto oft wichtige Grundlage für eine selbstbestimmte Lebensführung und die gleichberechtigte Teilhabe am Studium.

Sind Studierende behinderungsbedingt auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen, können sie einen Antrag für entsprechende Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe stellen (§ 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX in Verb. mit § 114 SGB IX). Vorab muss im Einzelfall geprüft werden, ob als vorrangige Leistungsträger nicht etwa der Unfallversicherungsträger (§ 40 SGB VII) oder die Versorgungsämter in Betracht kommen. Im Zuge zweier Gerichtsentscheidungen des Bundessozialgerichts ist auch eine vorrangige Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit zu prüfen. Die Zuständigkeit klären die Rehaträger unter sich. Die Bemessung der Leistungen orientiert sich an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung, allerdings für Bezieher*innen von Eingliederungshilfe mit Einschränkungen gemäß § 114 SGB IX.

  • Nachweis der Erforderlichkeit

    Studierende mit Behinderung sind auf ein eigenes Auto angewiesen,

    • wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich oder unzumutbar ist und
    • spezielle Fahrdienste nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen oder
    • die Fahrdienste die speziellen Belange nicht ausreichend berücksichtigen und deren Nutzung deshalb "nicht zumutbar" ist.
      Tatsächlich sind Behinderten-Fahrdienste für Studierende nur eingeschränkt nutzbar. Denn unterschiedliche Veranstaltungsorte, kurzfristig angesetzte Sonderveranstaltungen, kürzere und längere Pausen zwischen Studienveranstaltungen sowie abendliche Arbeitsgruppen erfordern eine Flexibilität, die ein Fahrdienst nicht garantieren kann.

    Zusätzlich müssen Studierende bei Beantragung von Eingliederungshilfeleistungen nachweisen, dass sie "ständig" auf das Kraftfahrzeug angewiesen sind (§ 114 Punkt 2 SGB IX). Das dürfte in der Regel gut zu begründen sein. Diese Auflage entfällt, wenn ein anderer Reha-Träger vorrangig für die Leistungserbringung zuständig ist (z.B. Unfallversicherung).

  • Bedienbarkeit

    Die Studierenden sollen ihr Auto in der Regel selbst bedienen können. Dafür muss eine Fahrerlaubnis vorgelegt werden. Wenn die Fahrerlaubnis wegen der amtlich vorgeschriebenen Zusatzeinrichtungen nicht anders erworben werden kann, muss ein entsprechend ausgerüstetes Kraftfahrzeug vorab bereitgestellt werden.

    In manchen Fällen erhalten Menschen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen keine Fahrerlaubnis. Orientierung geben die Begutachtungsrichtlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen.

    In Ausnahmefällen wird die Anschaffung eines Kfz auch unterstützt, wenn die Studierenden es nicht selbst fahren können. In diesem Fall muss sichergestellt sein, dass

    • das Auto dem/der Studierenden tatsächlich zur Verfügung steht,
    • die täglichen Fahrten nur mit Hilfe eines eigenen Autos organisiert werden können und
    • eine ständige Fahrbereitschaft, beispielsweise durch Pflegekräfte oder Elternteil, sichergestellt werden kann. Eine Benutzung durch Dritte im mittelbaren Interesse der oder des Betroffenen – beispielsweise zur Entlastung der eigenen Familie – genügt als Begründung nicht.
  • Führerscheinprüfung

    Grundsätzlich kann die Führerscheinprüfung abgelegt werden, wenn gewährleistet ist, dass

    • die Studierenden das Fahrzeug mit der notwendigen Sicherheit führen können,
    • von anderen Verkehrsteilnehmern keine besondere Rücksichtnahme erforderlich ist
    • und das Fahrzeug mit den notwendigen Zusatzeinrichtungen ausgestattet ist.

    Zuständige Behörde ist hier das Straßenverkehrsamt, das über die Zulassung zur Führerscheinprüfung entscheidet. Kommt der überörtliche Sozialhilfeträger für die Übernahme der Führerscheinkosten in Frage, fordert er meist bereits vorab eine Klärung der „Eignungsfrage“. Das Straßenverkehrsamt fordert unter Umständen zusätzlich ein Gutachten durch Fach- oder Amtsärzte oder anerkannte Sachverständige oder auch das Ablegen eines medizinisch-technischen Tests beim Technischen Überwachungsverein (TÜV). Für die Befreiung von der Gurtanlegepflicht erteilt das Straßenverkehrsamt befristete Ausnahmeregelungen nur nach ärztlicher Feststellung.

  • Art und Umfang der Leistungen

    Leistungen können u.U. bereit gestellt werden:

    • zur Beschaffung eines „angemessenen“ Fahrzeugs,
    • für besondere behinderungsbedingt notwendige Bedien- und Zusatzeinrichtungen,
    • die Ersatzbeschaffung,
    • zur Erlangung eines Führerscheins
      sowie für Instandhaltungs- und Betriebskosten. 
  • Angemessenheit des Kraftfahrzeugs

    Finanziert wird ggf. ein Auto, das – unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung – notwendig und ausreichend ist. Je nach Einzelfall können Kleinbusse oder Autos mit Sonderausstattungen notwendig sein. Ein Anspruch auf ein Neufahrzeug besteht nicht.

  • Ersatzbeschaffung

    Frühestens nach fünf Jahren kann eine Ersatzbeschaffung beantragt werden (§ 6 Abs. 4 KfzHV). Ausnahmen: das Auto ist unbrauchbar geworden oder wurde gestohlen.

  • Führerschein, Instandhaltungs- und Betriebskosten

    Auch Kosten zur Erlangung der Fahrerlaubnis, zur Instandhaltung sowie zum Betrieb des Kraftfahrzeugs können unter bestimmten Voraussetzungen übernommen werden (§ 83 Abs. 3 SGB IX).

    Dazu gehört auch die Übernahme der Kosten für die Überprüfung der Fahrtauglichkeit und die Feststellung der Auflagen für die Fahrerlaubnis und die Kosten für ein medizinisch-psychologischen Eignungsgutachten. Ist der/die Antragstellende selbst nicht in der Lage, die Fahrerlaubnis zu erwerben, kann die Hilfe auch für eine andere Person bewilligt werden, die bereit und in der Lage ist, die notwendigen Fahrten durchzuführen.

    Die Hilfe zum Betrieb eines Fahrzeugs wird meist in Form einer Betriebsmittelpauschale für Benzin, Kfz-Steuer und -Versicherung sowie in Einzelfällen einer zusätzlichen Reparaturkostenpauschale gezahlt. Werden höhere notwendige Kosten nachgewiesen, sind diese zu übernehmen.

  • Besondere Bedieneinrichtungen und Zusatzgeräte

    Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit werden die Kosten in vollem Umfang übernommen. Dies gilt auch für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung eines Dritten erforderlich ist, der für den behinderten Menschen das Kraftfahrzeug führt. (§ 7 KfzHV)

    Wichtig: Die behinderungsbedingt notwendigen Umbauten des Kfz werden stets komplett vom Leistungsträger finanziert. 

  • Zuschuss oder Darlehen?

    Die Leistung für ein Kraftfahrzeug kann im Rahmen der Eingliederungshilfe als Zuschuss oder als Darlehen gewährt werden. Denn die Regelungen zur Finanzierung, wie sie in den §§ 6 und 8 der Kraftfahrzeughilfeverordnung aufgeführt werden, sind für Bezieher*innen von Eingliederungshilfe leider nicht maßgeblich (vgl. § 114 Nr. 2 SGB IX).

    Grundsätzlich sind drei Varianten der Unterstützung möglich: Finanzierung als Zuschuss, als Darlehen oder in gemischter Form. Eine Finanzierung über Darlehen scheidet bei Studierenden mit wenig Eigenmitteln, z.B. bei BAföG-Beziehenden, aber häufig aus. Sollten Studierende trotzdem nur ein Darlehen erhalten, sollte eine Ratenzahlung beantragt werden. Viele Eingliederungshilfeträger berücksichtigen bei der Festsetzung der Raten die Rückzahlungsfähigkeit der Darlehensempfänger*innen.